Historisches

Sprung aus dem Schatten des Nebbiolo

Die rote Rebsorte Barbera erlebt nach einem schmerzhaften Prestigeverlust eine geradezu atemberaubende Wiedergeburt.

Über die Herkunft der Barbera-Rebe gibt es viele Versionen. So heißt es zum Beispiel, die Langobarden hätten die rote Sorte bereits im 7. Jahrhundert eingeführt. Ob es sich damals tatsächlich um ein importiertes Gewächs oder lediglich um eine zufällige Kreuzung handelte, ist bis heute unklar. Schriftlich erwähnt wurde Barbera erstmals im 13. Jahrhundert. Zu dieser Zeit wurde – das Monferrato betreffend – ein mit „bonis vitibus barbexinis“ bepflanztes Rebland erwähnt. Ob es sich dabei wirklich um Barbera handelt, ist ebenfalls nicht bewiesen.

Wahrscheinlicher ist es, dass Barbera-Reben erst einige Jahrhunderte später zweifelsfrei identifiziert wurden. Ein Beleg dafür ist das Kataster der nahe Turin gelegenen Gemeinde Chieri im Jahr 1512. Aus dem Jahre 1609 stammt ein Dokument aus dem Gemeindearchiv von Nizza Monferrato. Darin heißt es nach Informationen von Maurizio Gily, Journalist und Direktor des Magazins MilleVigne, dass „in der Grafschaft Nizza de la Paglia einige Sonderbeauftragte den Wein jener Rebgärten und im Besonderen den Barbera-Wein für die S. A. Serenissima des Herzogs von Mantua zu verkosten und einen angemessenen Preis dafür zu zahlen hätten“. Im Jahr 1799 war Barbera dann in der italienischen Ursprungsgegend um Montferrat dann schon so weit verbreitet, dass der italienische Rebenforscher Giuseppe Gallesio die Rebsorte als „Vitis vinifera Montisferratensis“ urkundlich erwähnte. „Die Barbera findet sich in fast allen Gärten des Monferrat“, schrieb der Wissenschaftler damals. Der piemontesische Ursprung der Weinrebe, so ist man sich heute so gut wie sicher, kommt wohl aus einer spontanen Kreuzung zweier älterer Reben. Leider hat die Barbera im Laufe der Geschichte nicht nur viel Freude, sondern auch hin und wieder einige Probleme beschert.

Starke Impulse im 19. Jahrhundert

Als im 19. Jahrhundert das kleinbäuerliche Eigentums entstand, erhielt der Weinbau im Piemont einen ausgeprägten Antrieb. Die Barbera wurde damals wegen ihrer besonderen Eigenschaften als Paradesorte ausgewählt. Das Gebiet um die Gemeinde Nizza Monferrato – – es ist weitgehend identisch mit der Zone zwischen dem Fluss Tanaro und der ersten Hügelkette südlich des Wildbaches Belbo – ist der Bereich, in dem Barbera schon sehr früh sortenrein angebaut wurde. Im restlichen Monferrato und im Gebiet um die Stadt Tortona wurden dagegen in den Weinbergen auch andere Rebsorten angebaut. In allen Gebieten war Barbera aber nach dem Empfinden der Landbevölkerung die am häufigsten kultivierte Rebsorte. Was die Anbaufläche angeht, wurde sie nur im Langhe-Gebiet und im Roero von Nebbiolo und Dolcetto abgehängt.

Die Bedeutung der Barbera wuchs Ende des 19. Jahrhunderts beachtlich. Man würdigte ihre starke Wuchskraft, die der Reblaus – sie befiel damals viele Rebanlagen und zerstörte sie -, widerstand. In kurzer Zeit wurde die Sorte zur piemontesischen Traube schlechthin und der aus ihr entstehende rustikale Wein zum unangefochtenen Hauptdarsteller der bäuerlichen Tafel auf allen Hügeln der norditalienischen Weinregion.

Vom Billigwein zum Edeltropfen

Eine Krise durchlebte der Barbera-Wein dann allerdings in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als nach dem Prinzip „Masse ist Klasse“ vor allem sehr ertragreiche Rebstöcke vermehrt wurden. Hohe Überschüsse, sinkende Qualität und damit einhergehende niedrige Preise ramponierten den guten Ruf. Diese Missstände führten auch dazu, dass viele Weinfreunde der Rebsorte an sich nicht mehr viel Gutes zutrauten. Es erwies sich auch als hinderlich, dass der elegante und prächtige Nebbiolo zur damaligen Zeit ohnehin alles überstrahlte. Der absolute Tiefpunkt war erreicht, als in Italien Mitte der 1980er Jahre beim berüchtigten Methanol-Skandal billige Barbera-Massenweine mit Methylalkohol versetzt wurden und 23 Menschen nach dem Konsum der gepanschten Weine starben. Dass dieser Umstand der Rebsorte zu Unrecht Schaden zufügte, sei hier nur am Rande erwähnt.

Um so größer war dann in der Weinwelt die Verwunderung, als bereits in den 1980er Jahren dem ersten Edel-Barbera der Weg geebnet wurde. Schöpfer war Giacomo Bologna, der als Leiter des Weinguts Braida zunächst mit seinem Bricco delI’Uccellone (uccellone heißt großer Vogel) und später dann mit dem Bricco della Bigotta aus der oftmals als prickelnden Bauernwein bezeichneten oder gar als billigen Industriewein verspotteten Barbera herausragende Rotweine kelterte. Bologna wählte für den Anbau sorgfältig Einzellagen aus, verringerte rigoros die Erträge und selektionierte streng die Trauben. Fortan entstanden Weine mit hohen Alkoholgehalten, die sogar mehr als 14 Volumenprozent erreichten.

Der prominente Gutsleiter besann sich auch auf Erfahrungen, die er mit französischen Weinen gemacht hatte. Er begann gemeinsam mit seinem Önologen Giuliano Noé, den einst nur gering geschätzten Barbera aus der Lage Bricco dell’Uccellone wie ein besonders edles Gewächs in neuen Barriquefässern auszubauen. Das Ergebnis waren Tropfen von höchster Qualität. „Die Traube, an sich gerbstoffarm, gewann durch die zeitweilige Lagerung in kleinen Eichenfässern Tannin hinzu, gleichzeitig rundete sich dabei die zur Spitzheit neigende Säure der Frucht“, schreibt Luzia Schrampf in dem von Steffen Maus herausgegebenen Standardwerk „Italiens Weinwelten“. Die komplexen Weine bekamen so eine bessere Struktur und mehr Würze. Heute kann man mit den Worten der Autorin sagen: „Der Uccellone war die Geburtsstunde des Barbera für anspruchsvollen Genuss.“

Winzer mit neuen Maßstäben

Weine wie der erstmals 1982 gekelterte Bricco del­l’Uccellone gehören inzwischen zu den Klassikern der stilistisch wie preislich ambitionierteren Barbera-Variationen. Die Maßstäbe, die Braida mit diesem edlen Tropfen setzte, machten sich fortan auch andere Winzer zu eigen. „Im Keller wurde die malolaktische Gärung kontrolliert, deren Mechanismus bis vor noch wenigen Jahrzehnten nicht bekannt war und die den Wein deutlich verbesserte, indem sie ihm eine weichere Anmutung am Gaumen verlieh“, stellt Gily fest. Fortan traten immer mehr Weinbauern den Beweis an, dass der Barbera mehr als nur ein ­rustikaler Tischwein oder ein banaler ­Industriewein sein kann. „Diese Aufwertung wurde durch verbesserte Techniken im Weinberg, eine gezieltere Klonenselektion und durch die Vermeidung von Viruserkrankungen erreicht sowie durch eine Verringerung der Erträge zur Begünstigung einer höheren Qualität und die besonnene Wahl des Erntezeitpunkts“, so der italienische Weinjournalist weiter.

Als dann in den 1990er Jahren die Qualitätsansprüche weiter stiegen und auch der Handel internationaler wurde, fehlten manchen Winzergenossenschaften für notwendige technische Investitionen die finanziellen Mittel, anderen mangelte es auch an der Einsicht in die Dringlichkeit einer Umorientierung. Ein Vorbild wie Braida ermutigte aber so manchen ehrgeizigen Winzer zum Schritt in die Selbstständigkeit. Die Zahl der Weingüter wuchs stetig und wurde durch die Euphorie für Barbera am Ende der neunziger Jahre noch zusätzlich angeheizt. Schließlich schenkten auch Gastronomie und Handel dem Wein endlich die ihm angemessene Beachtung.

Ein Barbera für alle Tage

Die Barbera hat in rund drei Jahrzehnten im Piemont eine bemerkenswerte Rebsorten-Karriere hingelegt. Die aus den Früchten gekelterten Weine sind heute eine ernst zu nehmende Alternative zu den teureren Nebbiolo-Weinen und können mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis punkten. Doch der Enthusiasmus über die Qualitätsrevolution ist nicht gänzlich ungetrübt. So mancher Weinliebhaber fragt sich heute, welche von den vielen Barbera-Interpretationen denn eigentlich die authentischste ist und welche Stilvariante die Aromen und den Charakter dieser säurereichen und tanninarmen Sorte am besten zum Ausdruck bringt.

Auch ist der Wettstreit beim Ausbau der Weine zwischen Verfechtern holzgeprägter Barriques und den eher traditionell arbeitenden Winzern in vollem Gange. „Das eine tun und das andere nicht lassen“, lautet deshalb die Devise ­vieler piemontesischer Weinbauern. Nicht zu übersehen ist aber, dass überteuerte Designweine auf dem Markt weniger gefragt sind. Zahlreiche Winzer setzen heute wieder vermehrt auf eigenständige, sortentypische Schöpfungen, die bei Wettbewerben vielleicht geringe Erfolgschancen haben mögen, sich dafür aber um so besser als perfekte Essensbegleiter bewähren. (mh)

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